Immaterielle und materielle Personenschäden
Hierunter fallen im Fall unfallbedingter Verletzungen die materiellen und immateriellen Schäden, die der Schädiger dem Verletzten bzw. den Erben oder Unterhaltsberechtigten eines durch den Unfall Getöteten zu ersetzen hat. Darüber hinaus müssen die Probleme eines eventuellen Forderungsübergangs an andere Leistungsträger (Krankenkassen, Rentenversicherungsträger, Träger der Sozialhilfe, private Versicherungen) und die sich daraus ergebenden sachlichen und zeitlichen Kongruenzprobleme bedacht werden.
Zum Begriff des Personenschadens und zu den darunter fallenden Vermögensschäden hat der BGH (Urteil vom 08.03.2012 – III ZR 191/11) ausgeführt:
„Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden als Folge der Körperverletzung.
Im Wesentlichen handelt es sich dabei um:
– Schmerzensgeld
siehe eigener Menüpunkt Schmerzensgeld
– Arzt- und Heilbehandlungskosten
Streit gibt es hier vor allem bei privat Krankenversicherten.
Das LG Saarbrücken hat dazu im Urteil vom 12.02.2010 klare Ausführungen gemacht:
Die geltend gemachten Arztkosten sind im Rahmen der Schadensersatzpflicht des Beklagten Teil des zu ersetzenden Gesundheitsschaden des Geschädigten sind und daher grundsätzlich in voller Höhe von dem Beklagten gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu ersetzen sind.
Dazu ist der Kläger auch aktivlegitimiert. Zur Begründetheit der Klage gehört zwar, dass das eingeklagte Recht dem Kläger zusteht. Dies ist hier indes zunächst nicht zweifelhaft, weil der Kläger der aus dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen Geschädigte ist, dem die Ersatzansprüche aus der erlittenen Körperverletzung und damit die angefallenen Heilbehandlungskosten in eigener Person zustehen. Dafür, dass diese Aktivlegitimation nachträglich entfallen ist, ist nach allgemeinen Beweislastregeln derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich darauf beruft, mithin der Beklagte. Dieser hat sich indessen lediglich darauf beschränkt, die Aktivlegitimation des Klägers zu bestreiten.
Anlass dafür, eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zugunsten des Geschädigten anzunehmen, besteht hier nicht. Ob, wie dies das Erstgericht annimmt, davon ausgegangen werden kann, dass die Rechteinhaberschaft des privat krankenversicherten Geschädigten regelmäßig wegfällt, weil der Versicherte seine private Krankenversicherung in Anspruch nimmt mit der Folge, dass die Ansprüche gem. § 67 VVG a.F. bzw. § 86 VVG n.F. auf den Versicherer übergegangen sind, kann die Kammer nicht überprüfen und bleibt zumindest zweifelhaft. Denn die Inanspruchnahme der privaten Krankenversicherung in den Fällen, in dem ein Schädiger für die unfallursächlichen Behandlungskosten vollumfänglich aufzukommen hat, hängt letztlich von der jeweiligen Entscheidung des Geschädigten ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte, der seine private Krankenversicherung in Anspruch nimmt, umständehalber Gefahr läuft, seine Prämienrückzahlung zu verlieren und zugleich diesen Verlust nicht als eigenen Vermögensschaden gegenüber dem Geschädigten geltend machen zu können. Insbesondere ist der Geschädigte aber nicht verpflichtet, seine private Krankenversicherung in solchen Fällen in Anspruch zu nehmen. Eine Vermutung dafür, dass der Geschädigte seine private Krankenversicherung in Anspruch genommen hat, mit der Folge, dass er dies durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung seiner Krankenversicherung zu widerlegen hat, scheidet damit aus.
– Haushaltsführungsschaden
Ist ein Geschädigter durch unfallbedingte Verletzungen aus einem unschuldig erlittenen Unfall nicht in der Lage, zeitweise oder dauernd seinen Haushalt zu führen oder die von ihm vor dem Unfall übernommenen Haushaltstätigkeiten zu erbringen, so steht ihm ein eigener Schadensersatzanspruch zu, der sog. Haushaltsführungsschaden.
Dieser Anspruch ist unabhängig davon, wie sich der Geschädigte über die Schwierigkeiten hinweghilft; auch wenn ihm z. B. nahestehende Personen unentgeltlich zur Seite stehen, hat er gleichwohl diesen Anspruch gegen den Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer.
– Vermehrte Bedürfnisse
Vielfach sieht sich der durch einen Unfall Verletzte zeitweise oder auch dauerhaft hohen Belastungen in finanzieller Hinsicht ausgesetzt, die über das hinausgehen, was jedermann für seine persönlichen Bedürfnisse aufwenden muss. In dem Fall spricht man von – gegenüber dem Durchschnitt bzw. Unverletzten – vermehrte Bedürfnisse.
Dabei kann es sich um zahlreiche in Betracht kommende Ersatzpositionen handeln, wie beispielsweise:
- angepasste Kleidung
- Körperversorgung und -pflege
- Haushaltsführungskosten (teilweise)
- Fahrt- (Kfz-)kosten für Arztbesuche usw.
- Prothesen, Brillen
- Umbaukosten für ein Kraftfahrzeug
- Schaffung einer behindertengerechten Wohnung
- elektronische Schreib- und Lesehilfen
Vermehrte Bedürfnisse gemäß § 843 Abs. 1 BGB sind somit sämtliche unfallbedingt zeitweilig oder dauerhaft wiederkehrende Aufwendungen, die dazu dienen, diejenigen finanziellen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge der durch den Unfall kausal bedingten Beeinträchtigungen seines körperlichen Wohlbefindens entstanden sind bzw. zukünftig noch entstehen.
Zur Abgrenzung von vermehrten Bedürfnissen vom immateriellen Schaden hat das OLG Koblenz (Urteil vom 07.11.2011 – 12 U 480/10) ausgeführt:
Vermehrte Bedürfnisse umfassen unfallbedingte Mehraufwendungen, die diejenigen Nachteile ausgleichen sollen, die dem Verletzten infolge dauernder Beeinträchtigung seines körperlichen Wohlbefindens entstehen (BGH NJW-RR 2004, 671).
Regelmäßig muss es sich dabei um Aufwendungen handeln, die dauerhaft und regelmäßig erforderlich sind und nicht der Wiederherstellung der Gesundheit dienen (BGH a.a.O., 672).
Daneben können aber ausnahmsweise einmalig anfallende Kosten nach §§ 249, 251 BGB zu ersetzen sein, wenn durch die einmalige Anschaffung eines Hilfsmittels ein erhöhtes Bedürfnis des Verletzten befriedigt werden kann (BGH a.a.O., 672).
Die Mehraufwendungen sind aber nur dann zu ersetzen, wenn die Schädigung zu gesteigerten Bedürfnissen des Verletzten zur Aufrechterhaltung des vor dem schädigenden Ereignis gewohnten Lebensstils geführt hat.
Davon abzugrenzen sind diejenigen Fälle, in denen der Geschädigte mit dem Schadensersatzbegehren ein Bedürfnis verfolgt, in gleicher Weise wie vor dem Unfall persönlichen Neigungen bei der Freizeitgestaltung uneingeschränkt nachgehen zu können. Diese Freiheit kann bei einer irreversiblen körperlichen Schädigung in tatsächlicher Hinsicht nicht wiederhergestellt werden. Insoweit liegt eine immaterielle Beeinträchtigung der Lebensfreude vor, deren Ausgleich unter dem Gesichtspunkt der Bemessung eines Schmerzensgeldes zu erfolgen hat (vgl. BGH NJW-RR 2004, 671, 672 und NJW-RR 1992, 792, 793).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe steht der Klägerin kein Zahlungsanspruch im Hinblick auf die durch das Reiten und die Sattelanfertigung angefallenen Kosten zu. Unfallbedingte Einschränkungen bei der Ausübung des Reitens als Freizeitsport, wie sie die Klägerin erlitten hat, können nicht beseitigt werden. Sie sind grundsätzlich über die Regelungen zum immateriellen Schadensersatz zu kompensieren.
– Unterhaltsschaden
Der BGH stellt im Urteil vom 05.06.2012 zutreffend darauf ab, dass nach § 844 Abs. 2 BGB bei der Tötung eines gesetzlich zum Unterhalt Verpflichteten die unterhaltsberechtigte Person Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, der ihr durch Entzug des Unterhaltsrechts entsteht. Der Ersatz ist grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten. Dabei hat nach § 823 Abs. 1, § 844 Abs. 2 BGB der Schädiger dem Geschädigten insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts nach dem Gesetz verpflichtet gewesen wäre. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt hätten. Er muss daher gemäß § 287 ZPO eine vorausschauende Betrachtung vornehmen, in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Dabei hat der Tatrichter bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bezugszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu.
Der Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht bestimmt sich nicht nach § 844 Abs. 2 BGB, sondern nach den unterhaltsrechtlichen Vorschriften. Den nach diesen Normen geschuldeten Unterhalt setzt § 844 Abs. 2 BGB voraus (vgl. Senatsurteil vom 4. November 2003 – VI ZR 346/02, aaO S. 76).